Endstation Garten Eden? (2012)
Berliner Nachwuchsautorinnen und -autoren fragen nach den Zwischenstationen auf dem Weg zum Paradies. Der Weg führt über „Irre Wege“ und durch das „Fegefeuer der Eitelkeiten“. Wo es eben noch lustvoll und „süpersündik“ zuging, droht ganz plötzlich der „Rausschmiss“ aus dem Paradies. Das Los entscheidet für die Besucher, welche Route sie nehmen und welche Texte sie auf ihrem Weg an den einzelnen Stationen hören. Nur wer sich auf den Weg macht, kann neue Literatur entdecken, bis es irgendwann heißt: „Bitte alle Endstation!“ Dort werden die Gäste den Paradiesbaum finden, an den jeder seinen eigenen Wunsch hängen und damit den Garten Eden ein wenig mitgestalten kann.
Neuköllner Verheißungen
„Kommst du jetzt endlich? Jetzt mach schon“, Murat zerrte ungeduldig an Ahmeds Ärmelsaum, „den Joghurt kannst du doch auch mitnehmen!“
Ahmed kippte den Ayran hastig hinunter, wischte sich mit dem Ärmel den weißen Milchbart ab, warf dem Onkel im Gehen noch ein eiliges „Tschüss, bis nachher“ zu und lief auch schon aus dem kleinen Kiosk hinaus auf die Richardstraße. Die Sommerferien hatten gerade begonnen und das Abenteuer lachte den beiden Jungen entgegen – vor allem in Gestalt der üppigen Blumenverkäuferin, die Rosen, Tulpen und Dalien im Laden an der Ecke feilbot.
„Weißt du“, hatte Murat gesagt, „manchmal stelle ich mir nachts vor, dass ich Limonade über ihre großen Brüste schütten und da herunterlecken würde. Und das macht dann so ein Kribbeln auf der Haut und in meinem Bauch. Das ist wirklich schön.“
Limonade von den Brüsten lecken, von diesen großen, weißen, weichen Brüsten. Seit Murat ihm davon erzählt hatte, konnte Ahmed an fast nichts anderes mehr denken. Und so standen sie dann da, für einen magischen Augenblick, mit heißroten Wangen, den Herzschlag bis zum Hals, fast jeden Tag – im Blumenladen.
„Na, da sind ja meine beiden Kavaliere wieder“, sagte die Blumenhändlerin lachend und ihre Brüste hüpften dabei hoch und runter. Murat schaute Ahmed an, aber der zuckte auch nur mit den Schultern. War Kavalier nicht so was Komisches zu essen? Oder hieß das Kaviar? Egal, Hauptsache, die Brüste hüpften, und das taten sie oft, weil die Blumenhändlerin gerne und viel lachte.
„Ihr könnt aber nicht immer nur schauen, müsst auch mal kaufen“, sagte die Blumenfrau und sah die beiden aufmerksam an. Murat und Ahmed wussten nicht, was sie sagen sollten. Die Blumen waren ja ganz o.k., aber doch total egal. Hätte sie mit einem Leierkasten an irgendeiner Ecke gedudelt, wären die beiden eben dahin gekommen. Nach einem Augenblick betretenen Schweigens sprangen sie wieder aus dem Laden.
„Bis morgen“, rief Ahmed.
„Ja, bis morgen“, rief die Blumenhändlerin und schüttelte amüsiert den Kopf. Murat und Ahmed lachten sich mit leuchtenden Augen an.
Sie durften nur nicht Turkan und seiner Horde von Schwachköpfen in die Hände fallen – dann würde dieser Neuköllner Sommer fantastisch werden.